Update1: PIA A-320 Crash

Es gibt noch immer zu wenig weitere offiziell bekannte Fakten für ein objektive, abschließende Beurteilung des Absturzgrundes. Da aber aufgrund der wenigen Tatsachen schon wieder zu viele Vermutungen im Umlauf sind und von FuZ gerne auch von hoch dotierten Medien ohne Fachkenntnisse abgeschrieben wird, dieser Zwischenbericht, der zu den Fakten auch zurzeit fachlich mögliche Einordnungen gibt.

Die bekannten Fakten

Die Statements aus dem ersten FuZ-Bericht hier.

Zudem ist mittlerweile bekannt:

An beiden Triebwerken sind symmetrische Spuren außen ersichtlich.

Zwei (und damit alle vorhandenen) Triebwerke, die bis dahin funktionierten, fallen plötzlich gleichzeitig aus.

Die RAT war ausgefahren, so war das komplette Fahrwerk beim Impact.

Am 23. Mai 2020 berichtete die pakistanische Zivilluftfahrtbehörde in einer Pressekonferenz, dass beide Black Boxes (Flight Data Recorder und Cockpit Voice Recorder) gefunden wurden. Die Besatzung des Fluges hatte beim ersten Anflug keine Probleme gemeldet oder Unterstützung angefordert.

Beurteilung der Fakten

Das Flugzeug brannte beim Impact, die schwarze Rauchwolke war weithin sichtbar, Fuel Exhaustion, also Spritmangel (für den gleichzeitigen Ausfall beider Triebwerke sonst der häufigste Grund) wird unwahrscheinlich.

Schon gestern vermisste ich die Radartracks des ursprünglichen Anfluges und des Go-Arounds in den öffentlich zugänglichen Quellen. Für heutige Anflüge kann man die Flugwege nachschauen – warum gestern keine ADS-B Daten der Transponder von frei zugänglichen Quellen zu sehen waren, ist bisher ungeklärt.


Einschub zum Ausfahren des Fahrwerks (Landing Gear)

Für die ersten motorisierten Lufthopser der Gebrüder Wright war das Fahrwerk als Bestandteil des größten Teil des Fluges zum Starten und Landen so essentiell, dass die Idee, es würde beim Flug stören, noch absolut irre war.

Mit der Weiterentwicklung der Flugzeuge und ihrem Einsatz zur Beförderung von Menschen und Fracht auf längeren Strecken wurde das Fahrwerk zum ungeliebten Widerstand und unnötigem spritverbrauchenden Teil während des Streckenfluges. Also weg damit. Abwerfen geht nicht, irgendwann will man ja doch wieder landen. Also einziehen nach dem Start, im Bauch des Flugzeugs verstecken, und erst wieder kurz vor der Landung ausfahren.

Alles gut soweit. Nur gibt es da noch einen kleinen Faktor zu berücksichtigen und der heißt Mensch. Und der ist unberechenbar. Manchmal vergisst er Dinge, weil sie in letzten Zeit nicht notwendig waren (während des Reisefluges). Vergessen kommt in der Luftfahrt selten gut, also gibt es Checklisten. Es gibt menschliche Redundanz im Cockpit (Pilot und Co-Pilot) und es gibt Computerstimmen, die laut durchs Cockpit brüllen Gear down……

Was da an Warnungen, Geklingel, Geblinke und Stimmen Computermäßig abgeht, bevor ein modernes Verkehrsflugzeug „unkonfiguriert“ landet, ist unüberhör- und unübersehbar.

Dann gibt es natürlich absichtliche Landungen mit eingezogenem Fahrwerk. Wenn man also weiß, dass das Fahrwerk aus einen technischen Grund (Fehler) nicht (komplett) ausgefahren werden kann. Also eine absichtliche Bauchlandung. Das ist ein Notfall bei dem die Feuerwehr mit allem Gerät an der Bahn bereitsteht, denn an der Zeit mangelt es dabei ja nicht, um alle Vorkehrungen am Boden zu treffen.

Dass dabei allerdings beim raschen Schleifen über den Boden die Triebwerksgondeln und damit auch die Triebwerke selbst ordentlichen Schaden nehmen, ist der Crew bekannt. Somit heißt auch eine Anweisung vor einer Intenional Belly Landing: Engines Out. Also Abschalten aller Triebwerke. Die Crew muss sich dessen bewusst sein, dass dies ein letzter Versuch ist, das Flugzeug zu landen. Der große Schaden am Flugzeug wird in Kauf genommen, um das Leben der Menschen an Bord zu retten.


Zurück zur Beurteilung aus den Fakten

Aus den qualitativ schlechten Mitschnitten des Flugfunks mit Flug PK 8303 lässt sich trotzdem sicher erkennen, dass es zwei Anflüge gab.

Beim ersten Anflug meldete die Crew, dass sie sich auf dem ILS (Instrument Landing System) befindet. Darauf bietet die Flugsicherung einen Steuerkurs (Vector) von 180 Grad (also nach Süden) an. Vermutlich, um das Flugzeug neu zu positionieren. Die Crew erwidert, dass sie bereits „established“ (also im Anflug stabilisiert) sei. Der Lotse sagt darauf, dass sie in 5 Meilen Entfernung durch 2500 (oder 3500, das lässt sich nicht verstehen) sinken würden. Eine normale Höhe im 5 Meilen Endanflug wäre 1500 Fuß.

Aus Sicht des Lotsen sind sie also zu hoch. Dennoch gibt er ihnen nun eine Landefreigabe. Während diese zurück gelesen wird, hört man im Hintergrund eine akustische Warnung im Cockpit.

Nach einiger Zeit, der Lotse ist inzwischen mit anderen Flugzeugen beschäftigt, meldet Flug PK 8303, dass sie durchstarten. Nachdem die Crew um einen erneuten Anflug bittet, bekommt sie einen Steuerkurs von 110 Grad und eine Flughöhe von 2000 Fuß zugewiesen. Später macht der Lotse die Crew darauf aufmerksam, dass er sie in nur 1800 Fuß sieht. Die Crew bestätigt das und gibt an, von nun an „zu versuchen“ 2000 Fuß genau zu halten.

Kurz darauf fragt der Lotse, ob PK 8303 eine Linkskurve eingeleitet habe. Die Crew bestätigt dies und gibt an, zum Endanflug (Final) zu fliegen, da sie beide Triebwerke verloren hätten. Der Lotse fragt, ob es eine „belly landing“ wird und gibt die Freigabe zur Landung für alle Bahnen.

Die Crew beantwortet die Frage nicht, erklärt nun aber mit „Mayday“ die Luftnotlage. Daraufhin wiederholt der Lotse die Landefreigabe für alle Bahnen. Es findet keine weitere Kommunikation statt.

Das Flugzeug erreicht keine der Bahnen mehr.

Auf Überwachungskameras ist zu sehen, dass das Fahrwerk beim Einflug in die Häuser ausgefahren ist. Ferner ist erkennbar, dass die RAT (Ram Air Turbine) ausgefahren ist. Ein normaler Zustand, wenn beide Triebwerke im Flug ausfallen und die APU, die im Flug ebenfalls als Notstromaggregat dienen könnte, ausgeschaltet war.

Von Problemen mit dem Fahrwerk wurde auf den bisher öffentlich zur Verfügung stehenden Mitschnitten nichts kommuniziert.

Auf den Fotos, die das Flugzeug im zweiten Anflug ohne Triebwerke und mit ausgefahrener RAT zeigen, ist zu sehen, dass beide Cowlings (Triebwerksverkleidungen) schwarze Spuren an der Unterseite zeigen, diese könnten von einem Bodenkontakt beim ersten Anflug herrühren.

Dass das Flugzeug beim ersten Anflug auf der Bahn aufsetzte, beruht auf der Aussage von einem der zwei überlebenden Fluggäste. Ob das Flugzeug dabei mit dem Fahrwerk oder mit den Triebwerken den Boden berührte, bleibt zu klären.

Falls die Triebwerke tatsächlich Bodenkontakt hatten, kann es gut sein, dass sie erheblichen Schaden davontrugen und nach einiger Zeit (etwa wegen auslaufendem Öl) den Dienst quittierten.

Über die Autorin

Die Journalistin Helga Kleisny ist diplomierte Physikerin (TU Wien), Fallschirmspringerin und Pilotin. Nach Arbeitsorten weltweit (Wien, Taipeh, Boca Raton (FL), München, Frankfurt…) sind ihre Haupt-Lebens- und Arbeitsorte nun in Deutschland und in den USA. Sie schreibt als freie Luft- und Raumfahrtjournalistin. Ihre Begeisterung für alles Technische und die Natur, am besten in Kombination, zeigt sich in ihren Büchern und in Seminaren und Vorträgen.

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